NORDFLOTTE - Fernmeldeaufklärung der Bundesmarine, Marinefernmeldesektor 73

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NORDFLOTTE



NORDFLOTTE
Nordflotte, Nordmeerflotte oder Rotbanner-Nordflotte (russisch Северный флот Sewernij flot) ist der Name des 1933 aufgestellten Teils der sowjetischen Marine, der jenseits des Polarkreises stationiert war, sowie des russischen Nachfolgeverbandes. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterhielten die NATO-Staaten zunächst im Bereich der Ostsee nur sehr schwache Seestreitkräfte. Die sowjetische Marine konnte davon ausgehen, sich von ihrer traditionellen Hauptbasis in der Ostsee aus schnell freien Zugang zu den Weltmeeren erkämpfen zu können. Erst mit der deutschen Wiederbewaffnung ab 1956 änderte sich die Lage. Bald standen NATO-Kräfte – in erster Linie die deutsche Bundesmarine zusammen mit der dänischen Marine – in beachtlicher Stärke bereit zur Verteidigung der Ostseeausgänge. Dies bedeutete, dass die sowjetische Marine nicht mehr so leicht mit U-Booten und anderen Kräften aus der Ostsee in den Nordatlantik eindringen und dort die NATO-Seeverbindungen angreifen konnte. Deshalb wurden die Basen im Nordmeer ausgebaut. Mit dem Hafen Murmansk und einigen nahegelegenen Anlagen hatte man dort ganzjährig eisfreie Stützpunkte zur Verfügung, von denen aus man in den Nordatlantik vordringen konnte. Etwa zur gleichen Zeit, ab Ende der 1950er Jahre, begann die sowjetische Marine mit dem Aufbau ihrer Atom-U-Boot-Flotte. Auch diese vor allem auf der Sewmasch-Werft von Sewerodwinsk gebauten Boote mussten gesicherten Zugang zu den offenen Ozeanen haben. Die Sowjetunion teilte den größten Teil ihrer strategischen Unterseeboote der Nordflotte zu. Die Nordflotte wurde damit zur wichtigsten der vier sowjetischen Flotten. Die strategischen Atom-U-Boote bildeten den maritimen Teil der sowjetischen Nukleartriade. Atombetriebene Jagd-U-Boote der Nordflotte waren für den Einsatz im Atlantik vorgesehen und sollten Trägergruppen der US Navy angreifen, das 7. Geschwader begleitete mit Überwasserstreitkräften ständig die 2. Flotte der US-Marine. Ihre Überwasserstreitkräfte, Kreuzer und Zerstörer, daneben später einzelne Flugzeugträger, dienten vor allem dem Schutz der Basisregion und der U-Boote. Mit den amphibischen Kräften wären Angriffe gegen NATO-Gebiete vor allem im Nahbereich möglich gewesen. Die Verlegung der Hauptmacht der sowjetischen Marine ins Nordmeer war ein großer strategischer Schachzug. Dadurch war die NATO gezwungen, starke Seestreitkräfte zur Sicherung ihrer Seewege aufzustellen, um im Kriegsfall nicht von der Verstärkung und Versorgung aus Nordamerika abgeschnitten zu werden. Andererseits kam es auch die Sowjetunion sehr teuer zu stehen, unter extremen Witterungsbedingungen und in großer Entfernung von der eigenen Industrie die Basis der größten Sowjetflotte aufzubauen und zu unterhalten. Der Dienst war mit großen Härten für die Soldaten und ihre Familien verbunden, und die Bereitschaft, freiwillig die Dienstzeit zu verlängern, soll nicht sehr hoch gewesen sein. Für Russland hat die Nordflotte auch weiterhin eine große strategische Bedeutung. Einer ihrer wichtigsten Häfen ist nach wie vor Sapadnaja Liza nahe der norwegischen Grenze auf der Halbinsel Kola. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit ihrer Republiken versuchte Russland gleichwohl, den Status einer den USA ebenbürtigen militärischen Macht zurückzuerlangen. Die Nordflotte verfügt dabei mit den strategischen Atom-U-Booten über einen wesentlichen Teil des russischen Nuklearpotenzials, insbesondere der Zweitschlagskapazität. Wie in der Vergangenheit besteht die Hauptaufgabe der anderen Seekriegsmittel der Nordflotte vor allem darin, dieses Potenzial zu schützen. Im September 1955 startete die sowjetische Marine als erste eine ballistische Rakete von einem U-Boot. Das erste sowjetische U-Boot "B-67" mit ballistischen Raketen an Bord wurde bei der Nordflotte im Juni 1956 in Dienst gestellt. Am 3. Juli 1958 wurde das erste sowjetische Atom-U-Boot K-3  "LENINSKIY KOMSOMOL" der NOVEMBER-KLASSE bei der Nordflotte in Dienst gestellt. Nachdem es das arktische Eis unterquert hatte, erreichte es 1962 den Nordpol und hisste Sowjetflagge und Marinewimpel (bereits 1958 wurde der Nordpol durch die USS Nautilus unterquert). Sowjetische U-Boote haben seitdem die Nordpolarregion mehr als 300-mal besucht. Im September 1963 machten zwei Atom-U-Boote der Nordflotte eine Reise unter der Arktischen Eiskappe und erreichten die Pazifikflotte auf diese Weise das erste Mal in der Geschichte. Mehr als 25 sowjetische U-Boote wiederholten dieses Manöver in den folgenden Jahren. 1966 führte eine U-Boot-Einheit der Nordflotte eine Gruppenreise um die Welt durch und legte dabei insgesamt etwa 25.000 nautische Meilen zurück. Insbesondere die U-Boote der Nordflotte hatten einige schwere Unfälle und Verluste zu verzeichnen, darunter:
Die russische Marine ging aus der sowjetischen Marine hervor und übernahm auch weitgehend deren Gliederung. Insbesondere die Nordflotte und die Pazifikflotte verfügen über nuklear angetriebene Schiffe. Als erstes atomreaktorgetriebenes U-Boot wurde 1958 die K-3 "LENINSKIY KOMSOMOL" der NOVEMBER-KLASSE in Dienst gestellt. Von 1955 bis zur Auflösung der UdSSR im Jahr 1991 wurden 240 Atom-U-Boote mit Nuklearantrieb hergestellt. Davon waren im Frühjahr 2010 noch etwa 40 in der russischen Flotte in Betrieb. Ihre Marinestützpunkte haben die Schiffe unter anderem im Polarmeer (Gadschijewo, Bolschaja Lopatka, Malaja Lopatka, Nerpitschja, Poljarny usw.) und im Pazifik (Pawlowski-Bucht usw.). Erst nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde der Öffentlichkeit bekannt, dass die Nordmeerflotte ausrangierte Atom-U-Boote versenkt sowie Atommüll im Meer verklappt hat. Wichtige Informationen zu der Problematik lieferten der frühere Konteradmiral Nikolai Mormul, der 1983 wegen seiner internen Kritik an dieser Praxis degradiert und inhaftiert worden war, sowie der frühere Marineoffizier Alexander Nikitin, den der Inlandsgeheimdienst FSB wegen seiner Zusammenarbeit mit der norwegischen Umweltgruppe Bellona verhaftete. Viele außer Dienst gestellte Schiffe lässt man zunächst in den Marinestützpunkten liegen. In der Sajda-Bucht lagen im Jahre 2000 etwa 120 ausgemusterte Atom-U-Boote vertäut. Brennstäbe und Ähnliches aus dem Betrieb und aus der Entsorgung werden in einer Reihe von Anlagen zwischengelagert (Andrejewa-Bucht usw.). Der Jablokow-Report von 1993 von Alexei Wladimirowitsch Jablokow wies aus, dass die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt Müll mit einer Strahlung von insgesamt 2,4 Millionen Curie (89 Billiarden Becquerel) versenkt hatte, darunter 18 Reaktoren aus U-Booten bzw. aus einem Eisbrecher:
  • 16 Reaktoren in die Karasee, davon noch sechs bestückt
  • 2 Reaktoren in das Japanische Meer
Der Bericht enthielt eine Reihe von weiteren Beispielen. Neben der Entsorgungsproblematik gibt es auch Probleme durch Unfälle:
Der entlassene Admiral Mormul hatte besonders auf die Kontaminierung des Meeres um die Doppelinsel Nowaja Semlja hingewiesen. Auch wurde bekannt, dass die Motowski-Bucht durch Radioaktivität spürbar belastet ist. Das Magazin Report Mainz berichtete Ende September 2012, dass Beamte des russischen Umweltministeriums eine nicht kontrollierbare Kettenreaktion in der "K-27" erwarten, bei denen die Brennstäbe zerstört werden und den Kernbrennstoff freigeben. Laut einem nicht veröffentlichten Entwurf für einen Staatsratsbericht muss die "K-27" bis 2014 gehoben werden, um dieses Szenario zu vermeiden. Auch die "K-159" muss demnach bis 2014 gehoben werden, da ihre Schutzbarrieren nicht ausreichen. Laut dem Staatlichen Russischen Instituts für Strahlenschutz (IBRAE) entweichen aus der "K-27" seit ihrem Untergang jährlich 851 Millionen Becquerel Radioaktivität. Unterwasseraufnahmen zeigen, dass die Schiffe Löcher haben.




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